No-Go Areas sind No Go

No-Go-Area ist no go: Integration statt Ausgrenzung

„No-go-Areas in Baden-Württemberg? Das gibt’s bei uns nicht“ Der Mann, der mir dies mit Überzeugung in der Stimme sagt, ist ein hochrangiger Polizist und Spezialist für Polizeieinsätze. Natürlich gibt es aus Polizeisicht Problemviertel, Rotlichtbezirke, soziale Brennpunkte, in denen die Kriminalitätsrate höher liegt als anderswo und die eine erhöhte Polizeipräsenz erfordern. Aber sogenannte No-Go-Areas oder Ghettos wie es sie in den Vororten französischer Großstädte oder einigen Berliner Stadtbezirken gibt, fallen dem erfahrenen Einsatzleiter auf Anhieb nicht ein.

Was mich darin bestärkt, den Begriff „No-Go-Area“ oder „Ghetto“ nicht zu verwenden. Es ist ein Leichtes, mit Worten und Begriffen Stimmung zu machen und diffuse Ängste zu wecken. Das Wort No-Go-Area gehört ganz sicher dazu und ist deshalb no go. Wohlgemerkt: es geht nicht darum zu verharmlosen. Ja, es gibt Bereiche, die ich an meinem Wohnort oder auch in meiner Landeshauptstadt nachts als Frau bzw ohne Begleitung lieber meide. Schlecht beleuchtete Unterführungen, einsame Abkürzungen durch den Stadtpark, öffentliche Plätze mit alkoholisierten Menschen.  Hier muss die Politik auf Landesebene und auf kommunaler Ebene handeln und das tut sie auch: gefragt sind polizeiliche Präsenz, städteplanerische Konzepte ohne Angsträume, gute soziale Durchmischung von Quartieren und gezielte Stadtteilarbeit. Die Kommunen bei diesen Aufgaben zu unterstützen ist Teil unserer politischen Agenda.

Beispiel Integrationspolitik: 185.000 Menschen, die aus Krisengebieten geflüchtet waren, hat Baden-Württemberg  im Jahr 2015 aufgenommen,  gut 98.000 Menschen haben davon Asyl beantragt (die anderen sind auf andere Bundesländer weiterverteilt worden, weitergereist oder konnten erst später einen Asylantrag stellen). In 2016 sind bislang 34.000 Flüchtlinge dazugekommen, von denen 21.000 einen Asylantrag gestellt haben. Das Konzept der Landesregierung ist es, die Flüchtlinge möglichst übers ganze Land zu verteilen und vor Ort zu integrieren – in Kindergärten, Schulen, Wirtschaftsbetrieben, Sportvereinen. Die Landkreise und Kommunen, die Flüchtlinge aufnehmen, werden durch zahlreiche Fördermaßnahmen unterstützt. Dazu zählt die Entwicklung von Integrationskonzepten , die Einstellung von Integrationsbeauftragten in zahlreichen Gemeinden. Es gibt Projekte wie  rassismuskritische Jugendbildungsarbeit in Pforzheim oder die Ausbildung interkultureller Elternmentoren im Schwarzwald-Baarkreis, Beratung für Zugewanderte in Ulm und und und. Die Beispiele zeigen: Integration findet in der Breite statt. In vielen Fällen setzt sie an bestehende Strukturen an.

Baden-Württemberg ist ein wirtschaftlich starkes Land. Auch deshalb ist Baden-Württemberg schon lange ein „Einwanderungsland“. Immer wieder gab und gibt es Zuwanderung in größeren Wellen, die unsere Gesellschaft vor Herausforderungen gestellt hat. Nach den Gastarbeitern kamen Russlanddeutsche und nun sind es die Flüchtlinge. Die Zuwanderinnen und Zuwanderer haben jedoch auch wesentlich zum wirtschaftlichen Erfolg des Südwestens beigetragen. Und selbstkritisch müssen wir sagen, dass Integration nicht immer an oberster Stelle stand und es viele Versäumnisse gab. Mittlerweile sind die Gastarbeiter, welche in den 60-er Jahren gekommen sind, deren Kinder oder Kindeskinder unsere Nachbarn, Arbeitskolleginnen, Freunde. Sie sitzen in Kommunalparlamenten, sind Landtagspräsidentin wie Muhterem Aras oder Parteivorsitzender wie Cem Özdemir. Sie wohnen in Bad Urach oder Stuttgart Mitte.

Baden-Württemberg hat dazugelernt. Das will ich am Integrationsmodell Stuttgart zeigen: In unserer größten baden-württembergischen Stadt leben Menschen aus 180 Nationen, die über 120 Sprachen sprechen. Knapp 40 Prozent aller Einwohner und Einwohnerinnen und über 50 Prozent aller Kinder und Jugendlichen haben einen Migrationshintergrund. Die Stadt hat diesen Reichtum und die Vielfalt schon lange als Chance begriffen und entsprechend gehandelt. Statt Ausländerbehörde gibt es das Stuttgarter Bündnis für Integration. Es geht auf die Initiative des damaligen CDU-Oberbürgermeisters Wolfgang Schuster zurück und ist ein überparteiliches Netzwerk, in dem sich Bürgerinitiativen, Migrantenvereine, Stiftungen, Stadt und Land gemeinsam für Bildung starkmachen. Integration ist seitdem nicht mehr Sache des Sozialamtes, sondern Chefsache. Das Konzept funktioniert.

Auch in meinem Wahlkreis, mit kleinen und mittelgroßen Kommunen, in meiner Heimatstadt Schorndorf, finde ich zahlreiche ermutigende Beispiele wie Integration gelingt: es gibt ehrenamtliche Flüchtlingshelferkreise, unbürokratische Ideen der Verwaltungen bei der Suche nach Unterkünften, interkulturelle Treffpunkte.

Sicher, es gibt Defizite und Missstände. Und es gibt Ängste in der Bevölkerung vor Überfremdung und Wohnungsnot, die wir ernst nehmen müssen. Denn Ängste zu schüren ist ein Erfolgsrezept populistischer Parteien. Deshalb ist es mir wichtig zu sagen: Wir können Integration. Baden-Württemberg blickt bereits auf eine Geschichte der gelungenen Integration zurück. Wir haben ein erfahrenes Krisenmanagement, wir haben weitsichtige Bürgermeister und Gemeinderäte, engagierte Bürgerinnen und Bürger. Sie alle wollen Integration und keine Ghettos!

Dies gibt uns Zuversicht, die anstehenden Herausforderungen zu bewältigen.

 

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