Landtag setzt klares Zeichen gegen Antisemitismus

Wir dulden keinen Antisemitismus. Nicht von rechts, nicht von links, nicht aus der Mitte der Gesellschaft, nicht aus muslimischen Kreisen!

Einführende Worte der Landtagspräsidentin zu Beginn der Plenarsitzung am 9. November:

Der 9. November gilt als der deutsche Schicksalstag. Mit der Novemberrevolution 1918 und dem friedlichen Wiederstand in der DDR, der 1989 die Berliner Mauer stürzte, erkämpften sich die Deutschen Freiheit und Demokratie. Werte, die die Nationalsozialisten in der jungen Weimarer Republik früh attackierten. Auch, wenn Hitlers Putschversuch heute vor 100 Jahren scheiterte.

Nur ein Jahrzehnt später kam Hitler durch Wahlen an die Macht:Mit dem Ermächtigungsgesetz vor 90 Jahren schaffte sich das Parlament selbst ab. Nur die Sozialdemokraten hielten stand.Von Beginn an basierte das sogenannte Dritte Reich auf der Erniedrigung und Entrechtung ganzer Bevölkerungsgruppen. Insbesondere basierte es auf Judenhass.

Auch DAS ist in den 9. November eingebrannt: Heute vor 85 Jahren wüteten staatliche Schlägertrupps in ganz Deutschland. In der sogenannten Reichspogromnacht zerstörten sie jüdische Wohnungen, Geschäfte und Gotteshäuser. Sie misshandelten, inhaftierten und ermordeten systematisch Jüdinnen und Juden. Begonnen hatte die systematische Verfolgung und VerNICHTUNG des europäischen Judentums.

Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus gab die junge Bundesrepublik mit dem Grundgesetz das Versprechen, fortan die Würde eines jeden Menschen zu achten und schützen. Darin angelegt war auch folgendes Versprechen: Jüdinnen und Juden in Deutschland sollten nach dem Menschheitsverbrechen der Shoa keine Angst mehr haben: nicht um ihre Würde und nicht um ihr Leben. Nie, nie, nie wieder!

Die Realität aber IST: Juden und Jüdinnen in Deutschland HABEN wieder Angst: Angst, hebräisch zu reden. Jüdische Symbole zu tragen. Vor die Haustür zu gehen. Sie fühlen sich von der Mehrheitsgesellschaft im Stich gelassen. „Nie wieder“, dieses elementare Versprechen unserer Bundesrepublik, droht gerade zur hohlen Phrase zu verkommen.Das ist eine Schande für unser Land.

Die massiven Drohungen gegen Jüdinnen und Juden, die Brandanschläge auf Synagogen, die Kennzeichnung von Häusern mit dem Davidstern müssen uns AUFRÜTTELN! Aber auch schon seit Jahren nehmen antisemitische Hassverbrechen zu. „Wehret den Anfängen“ heißt es immer. Doch es hat bereits wieder angefangen. Und die Zeit, sich zu wehren, ist JETZT!

Wer aber glaubt, Antisemitismus abschieben zu können, irrt: Denn der Antisemitismus hat Deutschland nie ganz verlassen. Eines müssen wir unmissverständlich deutlich machen: Wir DULDEN keinen Antisemitismus: Nicht von rechts, nicht von links, nicht aus der Mitte der Gesellschaft, und nicht aus muslimischen Kreisen!

Unser Rechtsstaat ist stabil und handlungsfähig! Wir haben alle Möglichkeiten, mit aller Härte des Gesetzes konsequent und schnell gegen Antisemiten und Rassisten vorzugehen. Nehmen wir ALLE die unerträglichen Entwicklungen der letzten Wochen, aber auch der letzten Jahre endlich ernst!

Wer glaubt, es wird schon nicht so schlimm, der hätte sich auch vor 90 Jahren getäuscht: Damals glaubten viel zu viele, sie könnten sich den antisemitischen und antidemokratischen Nationalsozialismus zu Nutze machen. Wer glaubt, es wird ihn oder sie nicht treffen, wenn Grundwerte ausgehöhlt und andere Menschen diskriminiert werden, der unterschätzt die Extremisten. Genau DAS lehrt uns die Geschichte.

Um diese Lehren nicht zu vergessen, brauchen wir politische Bildung, brauchen wir Gedenkkultur. Wir können und MÜSSEN in politische Bildung investieren. Wir können und MÜSSEN beständig weiter in Erinnerungskultur investieren und sie fortentwickeln. Und wir dürfen keine Zeit verlieren, ehrlich zu analysieren, wie antisemitische Narrative entstehen, wo sie verbreitet werden und wer dafür verantwortlich ist.

Wir müssen in diesen Tagen alles auf den Prüfstand stellen. Wer die Grund- und Freiheitsrechte missachtet, wer zulässt, dass Juden und Jüdinnen davon ausgeschlossen werden, wer Antisemitismus feiert, verharmlost oder ausübt der gefährdet unsere Demokratie. VERHINDERN wir das. Lösen wir unser Versprechen des „Nie wieder“ ein: Tag für Tag für Tag.

Meine Damen und Herren, aus Solidarität mit einem befreundeten Staat, der in seiner Existenz bedroht ist, hissen wir heute die Flagge Israels. Im Gedenken an die Opfer der Shoa, im Gedenken aller Opfer antisemitischer Verbrechen und in Solidarität mit den jüdischen Bürgerinnen und Bürgern in unserem Land erheben wir uns in Stille und Mitgefühl.

‚Nie wieder‘ ist JETZT.

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